Die Waldbauern als Vorbild

Volks- und Raiffeisenbanken setzen auf Nachhaltigkeit – Wachstumskurs 2019 fortgesetzt

Nachhaltiges Wirtschaften, wie es Förster und Waldbauern gewohnt sind, sieht Heinz Fohrer, der Vorsitzende der Bezirksvereinigung der Volks- und Raiffeisenbanken im Landkreis Esslingen (BZV), nicht nur als Verpflichtung gegenüber den knapp 158 000 Mitgliedern. Darauf beruhe seit jeher auch der Erfolg der Genossenschaftsbanken. Das Geschäftsjahr 2019 ist für Fohrer Beleg dafür, dass deren Geschäftsstrategie gut funktioniert. In fast allen Bereichen habe man den Wachstumskurs fortsetzen können, berichtete der Bezirkschef bei der Bilanzpressekonferenz. Plus 6,3 Prozent bei den Kundenkrediten, plus 5,6 Prozent bei den Anlagen, plus 6,4 Prozent bei der Bilanzsumme – das ist die eine Seite der Medaille. Dass das Betriebsergebnis bei 70,3 Millionen Euro nur minimal über dem Vorjahr liegt, sei vor allem dem nach wie vor extrem niedrigen Zinsniveau geschuldet, das die Gewinnmargen drücke. Hinzu kämen hohe Investitionen, die notwendig seien, um der zunehmenden Digitalisierung gerecht zu werden. Unterm Strich seien das „gute Zahlen“, betonte Fohrer, der seit Jahren dem Vorstand der Volksbank Esslingen angehört. „Wir konnten damit unsere Marktposition weiter stärken.“

„Nicht Abbau, sondern Umbau“

Die Rahmenbedingungen für Banken hätten sich in den vergangenen Jahren stark verändert, bilanzierte der BZV-Chef.  Die Volks- und Raiffeisenbanken hätten sich dabei als „überaus fähig“ erwiesen. Fohrer: „Wir handeln seit jeher nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit und verbinden unseren wirtschaftlichen Erfolg mit verantwortlichem Handeln.“ Ein stabiles Zins- und ein sehr gutes Provisionsergebnis hätten dabei die Zukunftsinvestitionen für die Digitalisierung erleichtert. Wie im Wald sei der über viele Generationen erwirtschaftete Ertrag und die Steigerung des Vorrats wichtiger als die höchstmögliche Rendite.

Die soziale Verantwortung der Genossenschaftsbanken betonte Bruno Foldenauer, stellvertretender Vorsitzender der BZV und Vorstandssprecher der VR-Bank Hohenneuffen-Teck. Man verstehe sich als Wertegemeinschaft. Die Nachhaltigkeit gehöre zum Markenkern. Nach Angaben Foldenauers wurden 2019 rund eine dreiviertel Million Euro investiert, um Vereine, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie viele andere Organisationen in der Region zu unterstützen.

Die Zahl der Mitarbeiter sei mit knapp 1200 stabil geblieben. Foldenauer sagte das auch vor dem Hintergrund, dass Großbanken aktuell zu einem massiven Stellenabbau gezwungen sind. „Unsere Devise heißt nicht Abbau, sondern Umbau“, sagte er. Vor allem die Digitalisierung und immer mehr regulatorische Anforderungen verlangten eine stetige Weiterqualifizierung der Mitarbeiter. Einen großen Beitrag leiste man zur Nachwuchsförderung. 77 Auszubildende bedeuteten gegenüber 2018 ein Plus von gut 18 Prozent.

Festhalten werde man an der guten Präsenz vor Ort. Die Volks- und Raiffeisenbanken sollten weiterhin „auch physisch greifbar“ sein. Derzeit seien die neun Volks- und Raiffeisenbanken an 74 Standorten im Landkreis vertreten, außerdem gebe es 20 SB-Stellen. Um sechs Prozent auf 114 684 gewachsen ist die Zahl der Online-Nutzer. Das seien 58 Prozent aller Girokunden, erklärte Foldenauer. 70 Prozent aller Online-Banking-Kunden (plus 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr) nutzten das elektronische Postfach. Und 28 Prozent der Online-Nutzer verwendeten die VR-BankingApp.

Die Geschwindigkeit der Veränderungen habe nochmals deutlich zugenommen, erklärte Martin Winkler, Vorstandsmitglied der BZV und Vorstandsmitglied der Volksbank Kirchheim-Nürtingen. Dies erfordere nicht nur hohe Investitionen, sondern auch einen erhöhten Schulungsaufwand. Für die Zukunft sieht er die Volks- und Raiffeisenbanken gut gerüstet.

„Niedrigzinspolitik beenden“

Sorge bereitet Winkler die anhaltende Niedrigzinspolitik, mit der Privatanleger, Unternehmen und die Banken zu kämpfen hätten. „Die Auswirkungen auf private Altersvorsorgevermögen, Miet- und Immobilienpreise sind enorm und müssen mittelfristig gelöst werden.“ Nach Angaben Winklers haben in den Jahren 2016 bis 2019 allein deutsche Banken rund 8,1 Milliarden Euro an Negativzinsen an die EZB bezahlt. Ebenfalls korrigiert werden müsse die europäische Einlagensicherung. Denn es könne nicht sein, dass deutsche Banken für schwächere Banken im Ausland mithaften müssen.

Nachhaltigkeit wollen die Volks- und Raiffeisenbanken auch im Esslinger Stadtwald unterstützen. Deswegen spendet die Bezirksvereinigung 500 Euro für 250 Setzlinge.
 

Geschäftszahlen 2019 der Genossenschaftsbanken im Kreis:

Kundenkredite: 5,3 Milliarden Euro (+ 6,3 Prozent)
Kundenanlagen: 6,4 Milliarden Euro (+ 5,6 Prozent)
Bilanzsumme: 8,2 Milliarden Euro (+ 6,4 Prozent)
Zinsüberschuss: 145 Millionen Euro (unverändert)

Provisionsüberschuss: 46,1 Millionen Euro (+ 2,35 Prozent)

Bilanzgewinn:  13,0 Millionen Euro (+ 1,2 Prozent)
Betriebsergebnis vor Risiko: 70,3 Millionen Euro (+ 0,1 Prozent)
Mitarbeiter:  1192 (+ 2,7 Prozent), davon 77 Auszubildende (+ 18,5 Prozent)
Mitglieder: 157 817 (+ 0,8 Prozent)
Anzahl der Volks- und Raiffeisenbanken im Landkreis Esslingen:  9 (unverändert)
V.l.n.r.: Martin Winkler (Volksbank Kirchheim-Nürtingen eG), Heinz Fohrer (Volksbank esslingen eG) und Bruno Foldenauer (VR Bank Hohenneuffen-Teck eG).

Ein Artikel von Harald Flößer, Eßlinger Zeitung.